Warum


©by S.Kyle


Der Weltraum, unendliche Weiten – doch diese sind für mich nicht weiter interessant. Meine Welt sind die
Meere und Ozeane. Oh, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt: Mein Name ist Selachi oder im
allgemeinen Sprachgebrauch Hai. Nun gut, das stimmt jetzt auch nicht so ganz. MEIN genauer Name ist
Carcharodon carcharias oder wie ich auch im Film bekannt geworden bin: weißer Hai. Ich bin also sozusagen eine Filmlegende, Autogramme gibt es aber nicht. Haben Sie schon einmal versucht mit Flossen zu schreiben? Hinzu kommt, dass Papier und Wasser sich nicht wirklich vertragen.
Das mit dem Film ist aber auch so eine Sache. Ja, ich bin berühmt geworden – als Killer!


Jetzt stellt sich also jeder vor, dass wir den ganzen Tag an der Küste entlang schwimmen, um irgendwelche Badegäste zu verspeisen. Ich versichere ihnen, nichts liegt uns ferner. Was sollen wir mit so einer fettarmen Kost? Eine große Robbe kann mich locker einen Monat ernähren. Wieso dann ein so widerlich eisenhaltiges Fleisch wie das eure verzehren?


Kommen Sie doch mit mir auf eine kleine Tagesreise. Vielleicht sehen wir hierbei auch einige Verwandte von mir, wie den Riffhai, der gerade mal zwei Meter lang wird. Da bin ich mit meinen sieben Metern schon ein anderes Kaliber. Ich habe nebenbei gerade meinen vierzigsten Geburtstag gefeiert, bin also in der Mitte meines Lebens. Meine vier Geschwister habe ich jedoch seit der Geburt nicht mehr gesehen. So eine Familienfeier hätte ja schon etwas. Ich habe da hinten einen verendeten Großwal gesehen. Da haben wir alle genug, um richtig satt zu werden.


Was denn, wir sollen nur Einzelgänger sein? Wer sagt denn so etwas, ihr kennt uns wirklich nicht. Wir sind
zwar nicht so sozial wie der Riffhai, doch auch wir können in Gruppen jagen. Bei uns sind es dann halt eher Robben oder kleinere Wale, bei den Riffhaien Schwärme von Doctorfischen.
Ganz anders ist da der Walhai, der schwimmt nicht in Gruppen. Das hat aber auch einen ganz einfachen
Hintergrund, da er sich von Plankton und Krill ernährt, ist so eine Jagdgruppe eher kontraprodukiv. Er ist
nebenbei der größte Fisch im Ozean. An die vierzehn Meter komme ich nicht ran, und dann wird er auch
noch bis zu einhundert Jahre alt.


Ich habe wirklich eine große Familie mit meinen über fünĬundert Arten. Alle ernähren sich anders, aber
Mensch steht wirklich auf keinem Speiseplan. Ich bitte jedoch, mich nicht mit einem Bullenhai zu
verwechseln, der mir zwar sehr ähnlich aussieht, jedoch so dumm ist, dass er einen Surfer auch mal für eine Robbe hält. Der merkt es nach dem Probebiss, dass man Mensch nur ausspucken kann.
Wussten Sie aber, dass wir zu den neugierigsten Haien gehören? Wenn Sie also einen Haischädel neben
ihrem Boot sehen, reine Neugier! Na gut, zumindest wenn es der von einem weißen Hai ist.
Wo wir bei Neugier sind: Da hinten hängt etwas im Wasser, da schwimmen viele andere Fische drin rum. Ich muss mir das mal aus der Nähe ansehen. Ah, das gehört zu diesem Boot. Bei aller Neugier ist mir das jetzt doch nicht geheuer. Ich komme hier auch nicht mehr raus. Was bei allen Seegöttern ist das? Das macht mir Angst, ich will nicht aus dem Wasser!
Warum heben die mich jetzt aus meiner Umgebung, zusammen mit diesen Fischen die sich an meiner Haut reiben und mir doch wieder Appettit machen?
Ich kann hier doch nicht atmen, lasst mich raus! Bitte lasst mich wieder in das Wasser, ihr könnt die Fische
doch haben.


Nein, nicht auf diese Oberfläche, die über dem Wasser ist. Sie ist so hart und tut meiner Haut weh. Wie
mein Herz rast, schneller als bei jeder Jagd und doch bekomme ich keine Luft. Was hält dieser Mensch in
den Händen? Es glitzert und sieht wie ein scharfer Zahn aus. Will er mich damit befreien? Bitte mach
schnell. Dieses Gefühl, nicht atmen zu können, es macht mich verrückt.
NEIIIN!


Er fängt an, mir die Flossen abzuschneiden!


WARUM?


Die Wunde brennt und ich rieche mein eigenes Blut, das ist grausam. Mein ganzer Körper wird von Schmerz durchzogen. Ich versuche, irgendwie mich zu bewegen, zu fliehen. Doch hier kann ich nicht schwimmen, nur leiden. Der nächste Schnitt und seht ihr nicht meine Tränen?

Wenn ihr mich fressen wollt, dann tut es doch.
Wieso verstümmelt und quält ihr mich so?
Der Blutgeruch wird immer stärker, mein Herz rast immer schneller und mein ganzer Körper besteht nur noch aus Schmerzen.


Das Wasser gibt mir wieder etwas Luft beim Trudeln auf den Meeresgrund. Die Kiemen werden durchspült
und ich kann eine kurze Zeit wieder atmen. Ich weiß aber auch, dass ich ohne Bewegung wieder keine Luft
bekommen werde. Es ist dann nur die Strömung, welche Wasser in meine Kiemen spülen kann. Wasser,
das ich dort so dringend brauche, weil nur so ich atmen kann.
Die Strömung kann mein Ende aber nur noch verzögern. Mich die Schmerzen ein, zwei Tage länger spüren
lassen. Oh ihr Seegötter, lasst einen Schwertwal kommen, der mich erlöst. Lasst meine Verwandten kommen, damit ich sie vor den Menschen warnen kann, bevor sie mich hoffentlich danach von meinem Schmerz befreien.


Anmerkung: Dieser redselige Hai ist Opfer von Finning geworden. Die Flossen werden abgeschnitten, da
diese hohe Erträge bringen, der Rest ist minderwertig und wird von den Menschen wieder in das Meer
geworfen. Hier verenden die Tiere qualvoll. Im Jahr sterben etwa zehn Menschen an den Folgen eines
Haiangriffs, aber eine Million Haie durch die Hände des Monsters namens Mensch

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